Haushaltsrede 2020

2009 haben wir die Freien Wähler Kempen e. V. (FWK) gegründet und unser politisches Programm war und ist seitdem überschrieben mit: „Jugend, Mittelstand, Soziales & Vereine!“ Wir sind ein politischer Verein, der keine ideologische Parteipolitik macht, sondern Sachpolitik für Kempen mit sozialer Verantwortung!

Kempen ist eine attraktive Stadt und hat im Gegensatz zu vielen Nachbarstädten immer noch sein „Tafelsilber“ in Form der Stadtwerke. Deren Gewinn fließt Jahr für Jahr in die Stadtkasse und wir möchten, dass das so bleibt. Aber Kempen hat auch ca. 30 Millionen Euro Schulden und wir müssen die finanzielle Handlungsfähigkeit der Stadt erhalten! Dabei hilft uns momentan die gestiegene Gewerbesteuer, die in den letzten 4 Jahren überraschend gute Ergebnisse brachte! Diese eine um mehrere Millionen € hin- und herschwankende unsichere Einnahmequelle zwingt uns allerdings weiter zu sparsamer Haushaltsführung! Darin bestärken uns die aktuellen Warnungen des bisherigen Kämmerers Jörg Geulmann, der schon für 2020 einen Fehlbetrag im Haushalt von 10 Mio. € prognostiziert. In diesem Jahr ist Kempen dank der Rekordeinnahme von über 27 Mio. € Gewerbesteuern noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen. Aber in wenigen Jahren droht sogar die Haushaltssicherung, wenn diese Einnahmen zurückgehen und neue große Projekte wie Schul- und Kitaausbau, Rathaussanierung oder ab 2021 die Entwicklung der Kempener Burg umgesetzt werden müssen!

Auch in diesem Jahr haben wir teure Forderungen, wie z. B. die Einrichtung einer Touristeninformation in der Heilig Geist Kapelle, weitere Millionen für den Schwimmbadneubau oder viele Millionen für Schulneubau, ohne zu prüfen, wieviel die Sanierung der bestehenden Gebäude kosten würde, abgelehnt. Vieles davon ist „nice to have“ – aber kein „Must“! Die Freien Wähler sind inzwischen -zusammen mit der CDU- die einzige verantwortungsvolle politische Kraft, die Steuerverschwendung verhindert und auch die berechtigten Interessen der Kempener Steuerzahler vertritt!

Wir sollten vielmehr den Ergebnissen und Empfehlungen der „Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung der Stadt Kempen durch die Gemeindeprüfungsanstalt NRW“ folgen. Deshalb haben wir in den Ausschüssen zusammen mit den anderen Fraktionen 2016 und 2017 alle sinnvollen Einsparungsmöglichkeiten kritisch überprüft. Die zusätzlich zur GPA durchgeführte Prüfung durch die ALLEVO Kommunalberatung haben wir skeptisch gesehen, da diese Kempen fast 100.000 € gekostet hat: Politik und Verwaltung sollten die Ergebnisse jetzt aber auch beachten und den Stellenzuwachs auf das Nötigste beschränken!

Die Einrichtung der aktuell zusätzlich geplanten Stellen unterstützen wir allerdings, da besonders im Bauamt momentan viele Projekte vorangebracht werden müssen. Würde man an dieser Stelle sparen, müsste man vieles -wie zuletzt- extern vergeben und hätte die Kosten so nur an eine andere Stelle verlagert. Die Freien Wähler sehen kritisch, dass eine Vielzahl an Projekten derzeit fremdvergeben wird: Dies muss sich wieder ändern! Gerade dem Bauamt möchten wir dennoch unseren ausdrücklichen Dank aussprechen, da dort seit Jahren enorm viel Arbeit in die Sanierung von Schulen, Sportanlagen und Verwaltungsgebäuden investiert wird! Diese hohe Arbeitsbelastung stieg noch einmal durch den erforderlichen Neubau und die Sanierung von Flüchtlingsunterkünften und die zahlreichen Wohnsiedlungsprojekte (Kreuzkapelle, An der Mühle, Haus Padenberg II und Kempener Westen) in allen Stadtteilen! Dazu kommen der Ausbau der Feuerwehrgerätehäuser in Tönisberg und Schmalbroich, sowie großflächige Sanierungsmaßnahmen im Straßen- und Kanalbau.

Der neue Technische Dezernent, Herr Beyer, hatte einen vielversprechenden Start hingelegt – ist aber nach Krefeld gegangen. Dies sollte uns zu denken geben! Stattdessen wünschen wir nun Herrn Schröder Kraft und Erfolg für seine Arbeit in den kommenden Jahren! Die Freien Wähler sind zuversichtlich mit Ihnen weiterhin gut und konstruktiv zusammen zu arbeiten.

  1. Kinder & Jugendliche:

Im vorliegenden Stellenplan ergibt sich ein starker Stellenzuwachs im Bereich Kindergartenentwicklung und dies ist durch die übergeordnete Gesetzgebung bedingt.

Die bessere Betreuung von Kleinkindern ist hier das Ziel – und dazu stehen wir auch! Die Vereinbarkeit von Beruf und Erziehung wird verbessert – und die Geburtenraten nehmen dadurch bundesweit auch wieder zu.

Die anstehenden Schulsanierungen stellen Kempen vor große Aufgaben. Zunächst ist der Brandschutz an städtischen Schulen zu verbessern. Es gilt zudem, Lösungen für den wachsenden Raumbedarf in den weiterführenden Schulen zu finden, der durch die Wiedereinführung von G9 entstehen kann. Dass es für die Oberstufe der Gesamtschule noch keine Räumlichkeiten gibt, ist für die Schulstadt Kempen geradezu beschämend! Ein Hoffnungsschimmer ist, dass die frühere Martinschule schnell ertüchtigt werden kann, um mit der Oberstufe der Gesamtschule zu starten!

Wir fordern zudem, dass in den Schulgebäuden zum kommenden Schuljahr überall WLAN zur Verfügung steht. Unsere Schulen dürfen nicht von der Digitalisierung abgekoppelt werden!

Die Kindertagesstätten müssen erweitert werden. Im Prinzip sind wir auch dafür, die KITA-Elternbeiträge landesweit völlig abzuschaffen! Kindergarten und Schule sollten generell nicht von den Eltern, sondern der Solidargemeinschaft bezahlt werden. Die Parteien müssen dazu Druck auf Landesebene machen! Eine Kempener Sonderregelung dagegen brächte finanzielle Probleme und wäre der falsche Weg.

Dezernent Klee, das Sozialamt und das Schulverwaltungsamt haben Lob verdient, für Ihre Bemühungen um die Flüchtlinge, und darum, einen Teil unserer Schullandschaft umzuwandeln und den Einstieg in die Gesamtschule zu bewältigen. Andererseits war es auch eine große Herausforderung, Halbtagsschulen in Ganztagsschulen mit funktionierenden Mensabetrieben umzubauen.

Es ist eine große Verpflichtung für die Stadtratsmehrheit, besonders in diesem Dezernat wieder Vertrauen in die Politik herzustellen! Wir brauchen hier dringend personelle Perspektiven und gute Entscheidungen! Die Freien Wähler werden alle konstruktiven Ansätze unterstützen, damit die Verwaltung schnell in ruhigeres Fahrwasser kommt und sich wieder der nötigen Sacharbeit und der Umsetzung unserer Ratsbeschlüsse widmen kann!

Wichtig dafür ist es auch die Platznot der Verwaltung zu mindern: Dafür werden im Frühjahr die 3 Bürohäuser an der Schorndorfer Straße in Betrieb genommen. Ein Projekt, dass die Freien Wähler mit der CDU und den Linken maßgeblich mitgetragen und ermöglicht haben! Ein großer Teil der Verwaltungsmitarbeiter wird dort erstmals moderne Büroräume und ein modernes Arbeitsumfeld vorfinden!

  1. Mittelstand:

In meinen Haushaltsreden habe ich stets betont, dass „wir das City-Management besonders zur Verhinderung längerer Geschäftsleerstände in Kempen, St. Hubert und Tönisberg unterstützen!“ Ich hatte auch immer bezweifelt, ob diese Aufgabe mit einer halben Stelle bewältigt werden kann. Seit dem 1. Oktober ist nun Stefan von Laguna mit einer zusätzlichen Stelle als Wirtschaftsförderer „an Bord“. Er ist bereits aktiv auf die hiesige Wirtschaft und Politik zugegangen – bitte machen Sie so weiter!

Zuletzt zeigten der geplante Abbau von 54 Arbeitsplätzen bei Woodward und die geplante Schließung von De Beukelaer mit 270 Arbeitsplätzen in Kempen die Notwendigkeit dieser Funktion auf! Die drängendsten Hauptaufgaben sehen wir in der weiteren Entwicklung dieses Areals, in der Schaffung der Infrastruktur für das Verteilzentrum von Amazon und die Entwicklung des früheren Zechengeländes in Tönisberg.

Die bestehenden Verkaufsflächen in der Kempener Innenstadt dürfen nicht weiter reduziert werden. Zudem freuen wir uns über die langjährige gute Zusammenarbeit des Werberings mit Herrn Christoph Dellmans! Im Zuge der Digitalisierung ist uns die Schaffung kostenfreier WLAN-Zugangspunkte in der Stadt ein großes Anliegen gewesen– und genau dies wird von Ihm aktuell umgesetzt.

Auf Initiative der Freien Wähler ist nach Jahren des Stillstandes endlich die Ansiedlung eines Hotelbetriebs in Angriff genommen worden. Gemeinsam mit dem Kempener Werbering beobachten wir die Entwicklung sehr aufmerksam und rechnen fest damit, dass Gewerbe und Tourismus von einem solchen Angebot erheblich profitieren werden. Der geplante Standort an der „Sauna- und Wasserwelt aqua-sol“ ist sehr attraktiv.

Darüber hinaus muss die Entwicklung weiterer Gewerbegebiete -wie das an der Hülser Straße- vorangebracht werden. Mehrere große Unternehmen haben in den letzten Jahren Kempen als optimalen Standort gewählt. Viele Betriebe möchten noch Teil unserer Stadt werden. Hier gilt es, analog zum Kempener Westen, Räume zu schaffen, die das Wohnen und Leben in Kempen mit Kempener Arbeitsplätzen komplettieren.

Generell wollen die Freien Wähler wirtschaftsfreundliche Rahmenbedingungen für Industrie, Handel, Handwerk, Landwirtschaft und freie Berufe: Dadurch lassen sich Arbeits- und Ausbildungsplätze in Kempen nachhaltig sicherstellen.

  1. Soziales

2015 und 2016 war auch in Kempen die Anzahl der geflüchteten Menschen stark gestiegen und dies hatte uns und besonders die Stadtverwaltung vor große Zusatzaufgaben gestellt.

In diesem Zusammenhang unterstützen wir die Neukonzeptionierung der Wohnsituation für Geflüchtete, die neben der vorübergehenden Stilllegung dreier Übergangsheime auch den Bau weiterer Wohnhäuser vorsieht. In Kempen ist der Wohnungsmarkt bekanntermaßen besonders angespannt und die anerkannten Asylbewerber unterliegen inzwischen de facto einer Residenzpflicht – alleine daher ist die Schaffung weiterer Kapazitäten erforderlich.

Die Integration dieser Menschen steckt dagegen noch in den Anfängen und muss deutlich besser koordiniert werden. Asylbewerber müssen dazu auch deutsche Mitbürger kennenlernen können. Das private Engagement vieler Kempener dafür ist lobenswert und ein Symbol für das anständige Deutschland! Wir Freie Wähler laden regelmäßig Flüchtlinge ein und wurden auch schon oft eingeladen. Vereinsmitglieder engagieren sich ehrenamtlich und erfolgreich bei Behördengängen, Arbeitspraktika und schwieriger Wohnungssuche.

In allen Stadtteilen (Kempener Altenheime, Hagelkreuz, St. Hubert und Tönisberg) soll der Bau von preiswerten und seniorengerechten Wohnungen gefördert werden. Ein passendes Projekt in direkter Stadtnähe wird am Heyerdrink verwirklicht: Die Wohnungsförderungs-gesellschaft baut hier alten- und familiengerechte Wohnungen mit niedrigen „gedeckelten“ Mieten. Auch an der Kreuzkapelle und für den Kempener Westen laufen erfolgversprechen-de Planungen für weiteren bezahlbaren Miet- und Wohnraum. Dies war und ist sehr wichtig für viele Kempener, da dringend bezahlbarer Wohnraum benötigt wird – selbst die Mittelschicht kann die mittlerweile üblichen Mieten, Pachten und Preise kaum mehr stemmen!

Viele mögliche Bauplanungen werden verhindert vom früheren aber auch vom aktuellen Regionalplan, den wir deshalb sehr kritisch sehen: Er behindert sowohl den wichtigen Sportplatzneubau in St. Hubert als auch die von uns beantragte Wohnbebauung am Stadtrand! Somit gefährdet er ein wichtiges Ziel der Freien Wähler – nämlich die „Erhaltung und Schaffung von bezahlbarem Miet- und Wohnraum.“

Kempener Bürger -darunter zahlreiche Schüler- hatten im Frühjahr an den Rat einen gut gemeinten „Antrag zur Ausrufung des Klimanotstandes“ gestellt. Der Sommer hat mit großer Hitze und Trockenheit dessen Berechtigung ebenso bewiesen, wie 99 % der Wissenschaftler, die sich mit diesem Thema befassen. U. a. wir Freie Wähler hatten diesen Antrag klar unterstützt, wurden jedoch leider von der Ratsmehrheit überstimmt. Im Stellenplan findet sich jetzt jedoch eine deutliche Aufwertung der Themen Umweltschutz und Nachhaltigkeit. Die Verwaltungsstellen für Umweltschutz- und Nachhaltigkeitsreferate wurden von 1½ auf 3 Stellen verdoppelt. Dies tragen wir -trotz erheblicher Mehrausgaben- mit, werden aber sehr genau beobachten, ob dies auch zu den gewünschten Effekten führt.

  1. Vereine

Die stärkere Förderung des Bürgerengagements in Sport- und Kulturvereinen, Kirchen, Bruderschaften, Nachbarschaften, Werberingen, Bürgervereinen, der Senioreninitiative und weiterer ehrenamtlicher Tätigkeiten hat für die Freien Wähler Kempen erste Priorität.

Durch unser politisches Engagement wurde 2014 endlich die Errichtung des Kunstrasenplatzes an der Berliner Allee angestoßen! Ein toller Erfolg – aber nur ein erster Schritt. Denn auch den Fußballern in St. Hubert und Tönisberg wollten wir die Möglichkeit eröffnen, künftig auf einem Kunstrasenplatz zu spielen! In Tönisberg wurde in diesem Sommer der Kunstrasenplatz samt Umlaufbahn eingeweiht. Diese Kunststoff-Umlaufbahn ermöglicht dort sogar das Fortbestehen der Leichtathletik!

Auch in St. Hubert kann hoffentlich bald der Bau eines Kunstrasenplatzes in Angriff genommen werden. Je früher dies geschieht, desto besser. Kunstrasenplätze setzen monatelangen Spiel- und Trainingsausfällen ein Ende. Somit wird unsere langjährige Forderung umgesetzt, dass Erwachsene und besonders Kinder weiterhin direkt in den Stadtteilen Tönisberg, St. Hubert und Kempen und nicht in einer zentralen Sportanlage ihren Sport ausüben können!

Enorm wichtig für Kempen ist weiterhin die zuverlässige Unterstützung der Freiwilligen Feuerwehren, wegen denen uns jährlich Millionensummen für eine Berufsfeuerwehr erspart bleiben. Wir unterstützen die zukunftssichernden Planungen und nötigen Baumaßnahmen für die Feuerwehrgerätehäuser in Tönisberg und Schmalbroich! Mit Freude und Anerkennung registrieren wir auch die aktuell tolle Entwicklung unserer Kinderfeuerwehr!

Zur Nutzung unserer schönen Landesburg nach 2021 lagen mit der Machbarkeitsstudie zur Umnutzung erste belastbare Daten und Rahmenbedingungen vor. Durch die jüngst getroffenen Übernahmebeschlüsse ist die Stadt Kempen jetzt in der historischen Situation, ohne Einfluss Dritter die Zukunft der Burg zu planen und diese für künftige Generationen attraktiv zu erhalten. Wir verstehen nicht, wie sich Kempener Parteien dagegen aussprechen konnten! Die Freien Wähler erwarten vom Kreis Solidarität bei den Übergangsregelungen und den Verbleib der VHS als langjähriger Ankermieter!

Wir fordern besonders die Grünen und eine Einzelperson im Rat auf, die Verwaltung nicht weiter mit populistischen Schauanträgen zu überfluten. Die Freien Wähler haben auch viele kreative Ideen für weitere Anträge – aber wir wägen sehr kritisch ab, wie wichtig unsere Anliegen momentan sind. Jeder Antrag muss von der Verwaltung aufwändig bearbeitet werden. Wir alle sollten hier momentan besonders sensibel sein, da die Kempener Verwaltung u. a. wegen der aktuellen Wechsel aller 3 Beigeordneten und zahlreicher verdienter Amtsleiter und Verwaltungsmitarbeiter vom Rat geschont und mehr unterstützt werden muss! Die Ratsfraktionen sollten sich trotz der Kommunalwahl im Herbst auf das wirklich Wichtige konzentrieren und keinen „Wahlkampf auf Kosten der Verwaltung machen“!

Die Freien Wähler Kempen unterstützen den vorliegenden Stellenplan und den Verwaltungshaushalt 2020, als Grundlage für eine gute und erfolgreiche Arbeit der Stadtverwaltung! Wir möchten den Mitarbeitern der Verwaltung -besonders in diesen schwierigen Zeiten- für ihr Engagement und die gezeigte Bürgernähe danken.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit

Udo Kadagies (Fraktionsvorsitzender Freie Wähler Kempen e. V.) den 17. Dezember 2019